Wozu sollte man jemanden dafür bezahlen, potenziellen Käufern die eigenen vier Wände vorzuführen? Das kann man doch allein! Oder nicht? Warum es beim Wohnungskauf ohne Makler leicht zu Missklängen kommt.
Bei „Kaufen“ und „Verkaufen“ denkt man zumeist an jene Gegenstände des täglichen Bedarfs, die mit bekannten Eigenschaften und zu festen Preisen ihren Besitzer wechseln. Es gibt aber Arten von ökonomischer Transaktion, auf die ein solches Warenhausmodell einfach nicht passt, und an eine davon hat unlängst der Soziologe Christoph Gesigora erinnert. In einem mit viel Beifall aufgenommenen Vortrag an seiner Heimatuniversität Bielefeld behandelte er den Eigentumswechsel an Häusern oder Wohnungen, vereinbart unter Privatleuten. Seine Leitfrage war, wozu man in diesen Fällen eigentlich einen Makler brauchen könnte. Und seine Antwort bestritt er mit Beobachtungen und Berichten über das, was zu geschehen pflegt, wenn Käufer und Verkäufer sich ohne die ausgleichenden Wirkungen dieses Dritten zu einigen suchen.
Für den Verkäufer, der sie als Eigentümer bewohnt, sind Haus oder Wohnung nicht irgendwelche Gebrauchsgegenstände. Sie erfüllen ihn vielmehr mit Stolz, und das nicht ohne Grund. Denn gezeigt hatte er diese Requisiten seiner Selbstdarstellung ja immer nur seinen Gästen, und natürlich hatten diese sich taktvoll verhalten. Wohl wissend, dass er ihnen bei der Führung durch die Zimmer im Grunde sich selbst präsentiert, hatten sie Lage, Grundriss und Inneneinrichtung immer nur in den höchsten Tönen gelobt. Immer also war die persönliche Achtung, die er beansprucht, auch dieser symbolischen Erweiterung seiner Person zuteilgeworden.
Dass diese jahrelange Verwöhnung ihn auf skeptisch dreinblickende Käufer schlecht präpariert hat, liegt auf der Hand. Gesigora konstatiert hier ein „Sozialisationsdefizit“. Aber auch die prospektiven Käufer sind häufig ganz unerfahrene Neulinge, die nicht bemerken, wie sehr es den Verkäufer gegen sie aufbringt, wenn sie nicht etwa als Gäste, sondern als taktfreie Kritiker auftreten.
Wehe, Sie wissen meine Küchenzeile nicht zu schätzen!
Schon die unstrittigen Vorzüge der Immobilie nehmen sie scheinbar unbeeindruckt zur Kenntnis, und erst recht liegt es ihrer strategischen Einstellung fern, die offenkundigen Mängel des Gebäudes zu preisen. Dass alles Unsichtbare an Keller, Heizung oder Nachbarschaft sie zu misstrauischen Nachfragen anreizt, versteht sich von selbst. Aber auch manches Sichtbare an Kinderzimmergröße oder Kücheneinrichtung zieht ihr Missfallen auf sich – und stimuliert sie mitunter sogar zu offener Erwägung weitreichender Änderungsvorhaben und Umbaumaßnahmen. Folgt man Gesigora, dann muten sie ihrem Verkäufer die unbeabsichtigte Mitteilung zu, die beste Zeit seines Lebens in einem mehr oder minder zweifelhaften Ambiente verbracht zu haben.
Kein Wunder also, wenn der so Angesprochene sich persönlich attackiert fühlt und dann sogleich dichtmacht: An diese Leute werde ich nie und nimmer verkaufen! Solche Ablehnung kommt mitunter sogar gelegen, denn nicht wenige von denen, die sich eine Wohnung nach der anderen ansehen, leben dabei über ihre Verhältnisse oder doch jedenfalls über ihre Entschlusskraft. Manche kommen nur, weil der Partner dies wünscht, und hoffen daher insgeheim, dass aus der Sache nichts werde. So wie der Verkäufer sich zu sehr mit seiner Lebenslage vor dem Eigentumswechsel identifiziert, so tun es seine Kunden zu wenig mit dem, was danach auf sie zukommen würde. Dem einen fällt das Loslassen schwer, den anderen der entschlossene Zugriff, und hier wie dort liegt in der schicksalhaften Größenordnung der fälligen Umstellung das eigentliche Hindernis.
Der Auftritt des Maklers indes verspricht Besserung, denn nun müssen beide Parteien, jede für sich, sich zunächst einmal zu diesem Dritten verhalten, und das ist sehr viel einfacher. Die Kritik am Zustand der Immobilie trifft nun nicht mehr den Eigentümer, der sie persönlich nimmt, sondern einen erfahrenen Dritten, der vergleichend urteilen kann und daher auch nichts vergibt, wenn er berechtigter Kritik zustimmt. Selbst Umbaupläne, die den Eigentümer erschrecken würden, sind nun kein Problem, denn der Makler muss ihn darüber nicht informieren. Er kann Unkenntnis vorschützen und den Besorgten daran erinnern, dass das Wichtigste nicht der Käufer, sondern der Preis ist. Den wiederum pflegt der Stolz des Besitzers zunächst in unrealistische Höhen zu treiben, und auch hier hat der Makler bessere Chancen, mit seiner Preiskritik durchzudringen, als der Käufer, der begreiflicherweise als befangen gilt.
Das Vorurteil gegen den Makler besagt, dass er eigentlich nur die Tür aufschließe und dafür deutlich überbezahlt sei. In Wahrheit handelt es sich um einen jener Vermittler, von denen schon Georg Simmel wusste, dass ihre Leistung vor allem darin besteht, beiden Parteien den schwierigen Kontakt miteinander zu ersparen.